Ausgefeilte Strategie der Kampfläufer, um Testosteron loszuwerden27. Januar 2025 Von Kampfläufern gibt es drei genetische Varianten, die bei Männchen zu unterschiedlichem Aussehen und Balzverhalten führen. Die aggressiven Kämpfer (links) haben mehr Testosteron im Blut, als die beiden anderen Morphen (rechts ist ein Satellit zu sehen). Foto © MPI für biologische Intelligenz/ Axel Griesch Hohe Testosteronspiegel verknüpfen wir im Tierreich mit männlicher Dominanz und Aggression. Bei Kampfläufern gibt es jedoch Männchen, für die zu viel Testosteron hinderlich ist. Forschende am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz zeigen nun mit einem internationalen Team, wie diese Männchen das Sexualhormon loswerden. Sie produzieren im Blut ein Superenzym, welches Testosteron schnell abbaut. Damit zeigt die Studie, dass Testosteronspiegel über ein einziges Gen reguliert werden können und dass dies im Blut geschieht – einem Gewebe, dass bisher bei der Regulation von Sexualhormonen wenig in Erscheinung getreten ist. Testosteron gilt als das Männerhormon: Es trägt unter anderem zum männlichen Erscheinungsbild, zur Geschlechtsentwicklung und zu aggressiven Verhaltenszügen bei. Im Tierreich verknüpfen wir hohe Testosteronspiegel daher mit einem besseren Durchsetzungsvermögen und höheren Fortpflanzungschancen. Eine neue Studie unter Leitung von Clemens Küpper zeigt nun in Kampfläufern, wie Männchen Testosteron „loswerden“. Dies wirft jedoch die Frage auf, wie die Männchen dieser Vogelart, die heftig um die Gunst der Weibchen konkurrieren, davon profitieren könnten. Drei Morphe mit unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien Dazu müssen wir die Fortpflanzungsstrategien der Schnepfenvögel genauer betrachten: Unter den Männchen gibt es drei verschiedene Morphe, die sich im Aussehen und Verhalten voreinander unterscheiden. Kämpfer haben dunklere Federkrägen und verteidigen aggressiv ihr kleines Revier in einer Balzarena, um dort den Weibchen zu imponieren. Die etwas kleineren Satelliten mit hellem Federkragen balzen dagegen in friedlicher Allianz mit einem ausgewählten Kämpfer. Raffiniert sind die seltenen Faeder: Sie sehen den Weibchen zum Verwechseln ähnlich und können sich unbemerkt in Balzarenen einschleichen. Bei der Strategie der Satelliten und Faeder, die nicht auf einem ausgeprägten Aggressionsverhalten beruhen, ist zu viel Testosteron daher eher störend. Im Einklang damit war von früheren Studien bekannt, dass bei diesen Männchen der Testosteronspiegel im Blut deutlich niedriger ist als bei den Kämpfern. (Das Blut gilt als wichtigstes Medium zur Verteilung der Hormone: Testosteron wird zwar hauptsächlich in den Hoden produziert, aber über das Blut an andere Wirkorte im ganzen Körper transportiert.) Die genetischen Faktoren bei der Regulation von Testosteron Doch wie kommen diese Unterschiede zwischen den drei Morphen zustande? Bislang war sehr wenig über die genetischen Faktoren bei der Regulation von Testosteron bekannt. In Kampfläufern lässt sich dieser Aspekt gut untersuchen, denn die drei Morphe unterscheiden sich nur in einem ,Supergen’, einer DNA-Region mit etwa 100 Genen. Dieses entstand vor ungefähr vier Millionen Jahren, als ein Abschnitt eines Chromosoms herausbrach und umgekehrt wieder integriert wurde. In Genexpressions-Analysen wurden die Forschenden auf ein Gen innerhalb des Supergens aufmerksam. Dabei handelt es sich um die Bauanleitung für ein Enzym, das Testosteron abbaut. Sie stellten fest, dass es besonders häufig in Faedern und Satelliten abgelesen wird – allerdings nicht im Hoden, wo Testosteron produziert wird. Das Team bestimmte daraufhin zunächst die Testosteronmengen im Hoden: Überraschenderweise haben Faeder und Satelliten, anders als im Blut, dort viel mehr Testosteron als Kämpfer. Wie kann es also sein, dass Faeder und Satelliten-Männchen das Sexualhormon in hohem Ausmaß produzieren, im Blut aber nur so wenig davon zirkuliert? Ein Superenzym im Blut baut Testosteron ab Die Antwort fanden die Forschenden im Blut der Kampfläufer: Das Abbau-Enzym kommt dort bei Satelliten und Faedern in großem Ausmaß vor, fehlt aber gänzlich bei den Kämpfern. „Auf Grund bisheriger Forschungsergebnisse sind wir davon ausgegangen, dass das Enzym im Blut keine Rolle spielt“, erklärt Alex Zemella, einer der beiden Erstautoren. „Unsere Ergebnisse decken daher einen bisher unbekannten Wirkungsort für das Enzym auf. Die Menge an Testosteron kann demnach direkt im Blut reguliert werden – ein Aspekt der bis jetzt übersehen wurde.“ Die Faeder-Männchen sehen wie Weibchen aus und können sich unbemerkt in die Balzarena einschleichen. Ein Superenzym baut Testosteron direkt in ihrem Blut ab. So zirkuliert wenig Testosteron im Körper, im Hoden gibt es aber genug zur Spermienproduktion. Foto: © MPI für biologische Intelligenz/ Axel Griesch Und nicht nur das: Die Forschenden konnten auch zeigen, dass das Enzym im Laufe der Zeit zu einem richtigen „Superenzym“ mutiert ist und viel effizienter Testosteron abbauen kann als die Enzymvariante in Kämpfern. Eine ausgefeilte Strategie beruht auf einem einzigen Gen Das zeigt, welche ausgefeilten Strategien Männchen im Laufe der Evolution entwickeln, um ihren Fortpflanzungserfolg zu erhöhen. „Alle Männchen benötigen Testosteron in den Hoden zur Spermienproduktion“, erklärt Jasmine Loveland, Erstautorin der Studie. „Das Hormon hat aber auch andere Effekte, zum Beispiel im Gehirn, wo es das Aggressions- und Balzverhalten fördern kann. Interessanterweise weisen die nicht-aggressiven Kampfläufer auch dort, insbesondere im Hypothalamus, erhöhte Werte des Superenzyms auf. Dies und die niedrigen Testosteronspiegel im Blut, spielen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei ihren alternativen Fortpflanzungsstrategien.“ Die Erkenntnis, dass Testosteronspiegel durch genetische Änderungen an einem einzigen Gen beeinflusst werden können, eröffnet eine Vielzahl neuer Forschungsmöglichkeiten. So will das Team zukünftig genauer untersuchen, wie das komplexes Sozialverhalten bei Kampfläufern reguliert wird und der Diversität innerhalb der Geschlechter weiter auf den Grund gehen. Diese Studie entstand in Kooperation mit Wissenschaftlern der FU Berlin, Universität Wien, des Helmholtz Zentrums München und der Simon Fraser University, Burnaby.
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