Bessere Beurteilung seltener genetischer Varianten, die zu erblichem Darmkrebs führen können7. Dezember 2023 Bonner Forschende erarbeiten federführend Klassifikations-Kriterien für Gen-Varianten, die zu erblichen Darmkrebs führen können: (v.li ) Isabel Spier und Stefan Aretz vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn. (Foto: © Andreas Stein/Universitätsklinikum Bonn) Die genetische Sicherung der Verdachtsdiagnose „Erblicher Darmkrebs“ hat große Bedeutung für die medizinische Versorgung der betroffenen Familien. Aber viele der in den bekannten Genen identifizierten Varianten lassen sich derzeit hinsichtlich ihrer ursächlichen Rolle bei der Tumorbildung noch nicht sicher einordnen. Unter Federführung des Institutes für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat ein internationales Forscherteam genspezifische Klassifikations-Kriterien erarbeitet, durch die bei einem nennenswerten Anteil unklarer Varianten deren medizinische Relevanz neu bewertet werden kann. In Familien mit erblichen Tumorerkrankungen besteht ein hohes Risiko für das Auftreten bestimmter Krebserkrankungen wie zum Beispiel Darmkrebs oder Brustkrebs. Für viele häufig vorkommende erbliche Tumorsyndrome gibt es inzwischen sehr wirksame, intensive und früh beginnende Krebs-Früherkennungs-Programme und andere vorbeugende Maßnahmen. Die rechtzeitige Erkennung und sichere Diagnose einer erblichen Veranlagung ist deshalb für die betroffenen Familien äußerst wichtig. Seltene Gen-Varianten mit unklarer Relevanz für Tumorbildung Durch die zunehmend umfangreicheren genetischen Untersuchungen werden in den verantwortlichen Erbanlagen aber auch immer mehr seltene genetische Varianten gefunden, deren ursächliche Bedeutung für die Tumorentstehung derzeit noch unklar ist. Man spricht hier von Varianten unklarer Signifikanz (VUS). Dies hat zur Folge, dass es sich bei den in öffentlichen internationalen Datenbanken (insbesondere ClinVar) gelisteten genetischen Varianten inzwischen bei manchen Genen in über 50 Prozent der Varianten um eine VUS handelt. „Diese Varianten können nicht zur Diagnosestellung und auch nicht zur Testung gesunder Risikopersonen verwendet werden; andererseits erzeugen sie aber oft große Unsicherheit, da Träger einer VUS möglicherweise ein erhöhtes Tumorrisiko tragen“, sagt Erstautorin Dr. Isabel Spier vom Institut für Humangenetik. „Die ursächliche Bedeutung von VUS für die Krebsveranlagung zu klären, trägt deshalb direkt zu einer besseren Patientenversorgung bei.“ Mögliche Entlastung von Trägern seltener Gen-Varianten Am Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen des UKB beschäftigen sich Forschende seit Jahren mit der Identifizierung neuer genetischer Ursachen für erbliche Tumorerkrankungen. Unter Führung des Institutes für Humangenetik wurde jetzt eine Studie zur besseren Charakterisierung genetischer Varianten in „Genetics in Medicine“ publiziert, der offiziellen Fachzeitschrift des American College of Medical Genetics and Genomics (ACMG). Die Forschergruppe um Prof. Stefan Aretz arbeitete hierzu mit einem internationalen und multidisziplinären Expertenteam aus Ärzten und Biologen zusammen. Die Gruppe entwickelte und validierte spezifische Klassifikationskriterien zur Beurteilung von Varianten im APC-Gen. Erbliche genetische Veränderungen des APC-Gens sind ursächlich für die Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), einer der häufigsten Ursachen für den erblichen Darmkrebs beziehungsweise erblichen Polypen-Erkrankungen des Magendarmtrakts. „Die entwickelten Gen-spezifischen Klassifikationskriterien erlauben es zukünftig, einen deutlichen Anteil von VUS des APC-Gens in eine medizinisch relevante Kategorie zu reklassifizieren“ erläutert Spier. „Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil der VUS als harmlose, seltene Normvarianten bewertet wird. Hierdurch können dann weltweit alle Träger dieser Varianten entlastet werden.“ „Die Studie war nur möglich durch unsere gute weltweite wissenschaftliche Vernetzung und den Aufbau eines internationalen Komitees zur Variantenbeurteilung, den wir insbesondere zusammen mit der International Society for Gastrointestinal Hereditary Tumours (InSiGHT) und der Clinical Genome Resource (ClinGen) durchführten“, sagt Aretz. „Hervorheben möchte ich die enge Zusammenarbeit mit Dr. Xiaoyu Yin aus Melbourne in Australien, während ihres sechsmonatigen Aufenthalts als Gastwissenschaftlerin am UKB.“ Im Anschluss planen die Bonner Forschenden eine umfangreiche Reklassifizierungsstudie, um möglichst alle bisher bekannten VUS im APC-Gen bezüglich ihrer Relevanz neu zu bewerten. Die Arbeiten dienen auch als Modellprojekte für ähnliche Ansätze bei anderen Krebsgenen.
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