BVDD übt scharfe Kritik am GKV-Spargesetz: „Widerspruch zur geplanten Ambulantisierung der Versorgung“1. August 2022 Foto: © weyo/stock.adobe.com Der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) kritisiert die geplante Abschaffung der extrabudgetären Vergütung von Leistungen bei Neupatienten sowie die ebenfalls geplante unbefristete Bereinigung von Leistungen der offenen Sprechstunde durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz aufs Schärfste. BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski warnt vor deutlichen Einschnitten bei der aufwendigen Versorgung von Neupatienten, wenn diese nicht mehr mit einer kostendeckenden Vergütung erfolgen kann. Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, es werde keine Leistungskürzungen für die Versicherten geben, ist nach Ansicht des BVDD „reine Augenwischerei“. Aufnahmestopps für Neupatienten und längere Wartezeiten seien unumgänglich. „Das Maß an Geringschätzung gegenüber der Ärzteschaft und den Medizinischen Fachangestellten ist voll. Nach der aufgezwungenen Telematikinfrastruktur(TI)-Anbindung, bei der die Niedergelassenen draufzahlen müssen, der Weigerung, eine Coronaprämie für Medizinische Fachangestellte zu gewähren, und dem Ignorieren einer neuen Gebührenordnung für Ärzte wird der Minister nun auch noch wortbrüchig und dreht die Uhr bei der Entbudgetierung wieder zurück“, kritisiert von Kiedrowski den Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes, der vom Kabinett durchgewunken worden ist. Bis zuletzt hätten Dermatologen in einer Protestaktion ihren Wahlkreisabgeordneten E-Mails gesendet und darin die Auswirkungen der Abschaffung der Neupatientenregelung auf ihre Praxen deutlich gemacht, schreibt der BVDD in einer aktuellen Mitteilung. „Wir werden unsere Patientinnen und Patienten darüber aufklären, dass die Politik die Verantwortung dafür trägt, wenn es zu Aufnahmestopps für Neupatienten und längeren Wartezeiten kommen wird“, so der BVDD-Präsident. Beides sei unvermeidlich. Auch Lauterbachs öffentliche Aussage, die 2019 eingeführte Neupatienten-Regelung habe sich nicht bewährt, entbehrt in den Augen des BVDD jeglicher Grundlage. „Jemand, der ständig die Berücksichtigung von Studiendaten aus Harvard fordert, sollte auch die inländischen Analysen präsent haben“, fordert von Kiedrowski. Denn, so der BVDD, die aktuellen Daten des Zentralinstitutes für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zeigten Gegenteiliges. Demnach sei mehr als jeder vierte gesetzlich versicherte Patient von der Neupatienten-Regelung begünstigt worden. Die Anzahl der Neupatienten sei im vierten Quartal 2021 gegenüber dem vierten Quartal 2019 um zwölf Prozent gestiegen. Der Anteil der Neupatienten an allen Patienten habe in dieser Zeit um 7,5 Prozent zugenommen. Der BVDD weist darauf hin, dass Dermatologen aufgrund zahlreicher akut auftretender Hauterkrankungen seit jeher zu den Fachgruppen mit vielen Neupatienten gehören. Den Zi-Angaben zufolge lag der Anteil der Neupatienten an allen Behandlungsfällen in den dermatologischen Praxen im vierten Quartal 2021 durchschnittlich bei 34 Prozent. Im gleichen Zeitraum haben bundesweit alle Hautarztpraxen (100%) Neupatienten versorgt. Eine besonders starke Steigerung aufgrund der extrabudgetären Vergütung habe es jedoch nicht gegeben: So sank laut Zi die Anzahl der Neupatienten in dermatologischen Praxen vom vierten Quartal 2019 bis zum vierten Quartal 2021 sogar um 1,1 Prozent. Insgesamt kommt das Zi zu dem Schluss, „die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte haben maßvoll aber bestimmungsgemäß von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ohne Mengenbegrenzung abzurechnen“. „Damit entpuppt sich der immer wieder anklingende Vorwurf, die Niedergelassenen manipulieren bei der Neupatienten-Regelung, als üble Nachrede“, erklärt von Kiedrowski. „Die Behauptung passt aber zum Trend, die Vertragsärztinnen und Vertragsärzte zu diskreditieren. Wie anders ist es zu verstehen, dass Lauterbach bei der öffentlichen Vorstellung des GKV-Spargesetzes, die Apotheker ausdrücklich für ihre wichtige Rolle bei der Impfkampagne lobt, die herausragende Leistung der niedergelassenen Ärzteschaft in der Pandemie aber mit keinem Wort erwähnt.“ Von Kiedrowski führt weiter aus, dass auch die Krankenhäuser offenbar den „besonderen Schutz des Ministers“ genössen, sollten diese doch aufgrund der drohenden hohen Energiekosten möglichst wenig belastet werden, wie Lauterbach betone. „Stark gestiegene Energie- und Personalkosten gibt es in der Niederlassung anscheinend für den Minister nicht. Unverschämterweise stellt sich der GKV-Spitzenverband bei diesem Gesetzesentwurf gleich an die Seite des Ministers und fordert für die anstehenden Honorarverhandlungen sogar Nullrunden für die nächsten zwei Jahre“, urteilt der BVDD-Präsident. Und von Kiedrowski warnt: „Das GKV-Spargesetz steht im völligen Widerspruch zur Ankündigung der Regierungskoalition, die Ambulantisierung der Versorgung vorantreiben zu wollen. Wird das Gesetz ohne gravierende Änderungen im Sinne der niedergelassenen Ärzteschaft umgesetzt, beschleunigt sich das Ausbluten des ambulanten Sektors massiv.“
Mehr erfahren zu: "Erdnussallergie: Bessere Beratung durch Schulung und Erinnerung" Erdnussallergie: Bessere Beratung durch Schulung und Erinnerung Trotz Leitlinienempfehlung führen viele Eltern erdnusshaltige Lebensmittel nicht richtig in die Ernährung ihrer Kinder ein. Eine US-amerikanische Studie zeigt nun: Mit gezielter Unterstützung empfehlen Kinderärzte die frühe Einführung deutlich häufiger.
Mehr erfahren zu: "Neue Leitlinie zu Lichen sclerosus empfiehlt Corticoidtherapie" Neue Leitlinie zu Lichen sclerosus empfiehlt Corticoidtherapie Lichen sclerosus bleibt oft unerkannt. Die neue S3-Leitlinie sensibilisiert für die Erkrankung und empfiehlt eine konsequente Therapie mit topischen Glucocorticoiden zur Verbesserung der Krankheitskontrolle.
Mehr erfahren zu: "Anaphylaxierisiko: Kennzeichnungspflicht für weitere Nahrungsmittelallergene?" Anaphylaxierisiko: Kennzeichnungspflicht für weitere Nahrungsmittelallergene? Die europäische Verordnung zur verpflichtenden Allergenkennzeichnung erfasst 14 Lebensmittelallergene. Nun fanden Forschende aus Frankreich acht weitere Lebensmittel, die häufig bei nahrungsmittelbedingter Anaphylaxie eine Rolle spielen.