Ein Pflaster gegen Erdnussallergie bei Kleinkindern15. Mai 2023 Foto: © triocean – stock.adobe.com Etwa vier Prozent aller Säuglinge in Deutschland sind von einer Nahrungsmittelallergie betroffen, die unbehandelt dauerhaft bestehen und zu teils lebensbedrohlichen allergischen Reaktionen führen kann. Der häufigste Auslöser dafür sind Erdnüsse. Eine epikutane Immuntherapie mittels Pflaster könnte Kleinkindern dagegen helfen. Von allen getesteten Kindern weist jedes zehnte einen positiven Bluttest gegen Erdnüsse auf. Gegen die Allergie ist derzeit lediglich eine orale Immuntherapie zwischen vier und 17 Jahren zugelassen. Ein internationales Team aus Forschenden präsentiert im „New England Journal of Medicine“ nun Ergebnisse einer klinischen Phase-III-Studie zur Behandlung von Kindern im Alter von einem bis drei Jahren mit einem Erdnusspflaster. Diese epikutane Immuntherapie, bei der geringe Dosen des Allergens über die Haut aufgenommen werden, war der Studie zufolge gegenüber einem Placebo überlegen. Der primäre „Wirksamkeitsendpunkt“ wurde bei 67 Prozent der Kinder in der Interventionsgruppe im Vergleich zu 33,5 Prozent in der Placebogruppe beobachtet. Die Kinder sprachen laut Studiendefinition auf die Therapie an, wenn die eine Immunreaktion auslösende Allergendosis zu Beginn der Studie deutlich niedriger war als nach zwölf Monaten Behandlung (10 bzw. bis zu 3444 Milligramm Erdnussprotein). Die tägliche Therapiedosis der Pflaster lag bei 250 Mikrogramm Erdnussprotein, was ungefähr einem Tausendstel einer Erdnuss entspricht. Bei Kindern im Alter von vier bis elf Jahren wurde die epikutane Therapie gegen eine Erdnussallergie bereits erprobt. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, die auf die jeweilige Behandlung zurückzuführen waren, traten in der aktuellen Studie nur bei einem Kind (0,4 %) in der Interventionsgruppe auf. In der Placebogruppe war kein Kind betroffen. Eine aus der Therapie resultierende Anaphylaxie zeigte sich bei vier (1,6 %) Kindern beziehungsweise keinem in der Placebogruppe. Hautreaktionen waren in der Placebogruppe ebenfalls seltener. Unbekannt ist bisher, wie lange die Desensibilisierung mit dem Erdnusspflaster für den bestmöglichen Erfolg tatsächlich dauern muss. In der Studie war der Endzeitpunkt auf ein Jahr festgelegt. Vergleich der Therapiemöglichkeiten notwendig „Die epikutane Immuntherapie (EPIT) mit Erdnussallergen ist schon länger in der Diskussion, dazu sind in der Vergangenheit schon Studien veröffentlicht worden. Die jetzige Studie zeigt, dass die Behandlung bei Kindern im Alter von einem bis drei Jahren durchaus klinische Erfolge zeigt, Kinder vertragen nach EPIT mehr Erdnussallergen als vorher. Die insgesamt vertragene Menge ist allerdings relativ klein und unter der Therapie sind durchaus Nebenwirkungen aufgetreten“, kommentierte Prof. Randolf Brehler, Oberarzt der Klinik für Hautkrankheiten, Allergologisches Studienzentrum, Universitätsklinikum Münster, die Studienergebnisse. „Zugelassen ist aktuell eine orale Immuntherapie mit Erdnuss (OIT), mit der ebenfalls erreicht wird, dass die Menge an Erdnuss, die vertragen wird, steigt. Bislang ist aber kein dauerhafter Effekt der oralen Immuntherapie gezeigt worden, dies könnte ein Unterschied zur ansonsten üblichen subkutanen oder sublingual Immuntherapie sein – die mit Erdnuss bislang aber nicht möglich ist. Wie lange die OIT tatsächlich durchgeführt werden muss, ist noch nicht klar. Kinder müssen unter der Therapie ihre Diät weiter durchführen.“ Abgewartet werden müsse ein genauer Vergleich der Nebenwirkungen der beiden Therapieformen. Unter den Pflastern der EPIT träten häufig Hautreizungen auf. Zudem hätten in der Vergangenheit die Pflaster nicht immer gut auf der Haut gehalten, so der Experte, der damit rechnet, dass auch die epikutane Immuntherapie mit Erdnussallergen zugelassen werden wird. Wichtig sei jedoch ein Vergleich der verschiedenen Therapiemöglichkeiten. Noch viele Fragen offen Für ein- bis dreijährige Kinder gibt es im Moment keine zugelassene Therapieoption. Eine Phase-III-Studie zur OIT für diese Altersgruppe sei abgeschlossen, die Ergebnisse seien allerdings noch nicht publiziert, aber auf einem internationalen Kongress vorgestellt worden, erklärte Prof. Kirsten Beyer, Leiterin des Kinderallergologischen Studienzentrums an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Beim Vergleich der Wirksamkeit zwischen OIT und EPIT muss man aber ein bisschen aufpassen: Bei der oralen Therapie isst der Patient jeden Tag seine Erdnuss – zwar in Form von standardisiertem Erdnusspulver, aber er isst sie – und wir können sehen, wie er darauf reagiert, also wie er die Erdnuss verträgt. Bei einem Pflaster, das täglich aufgeklebt wird, weiß ich letztlich nicht, was passiert, wenn der Patient tatsächlich eine Erdnuss essen würde. In anderen Studien zur EPIT bei älteren Kindern wurde zum Beispiel gezeigt, dass einige Kinder nach einem Jahr mehr Erdnuss vertrugen als nach drei Jahren Therapie.“ Eine weitere Einschränkung der Studie sei der Wirksamkeitsendpunkt. Eine Studiendauer von einem Jahr sage nichts darüber aus, wie lange eine Immuntherapie durchgeführt werden müsse. “Wir müssen uns also fragen, wie lange das Pflaster kleben bleiben soll. Ein Jahr? Ein Leben lang? Bei der OIT können wir die Patienten gegebenenfalls nach einigen Jahren auf echte Erdnüsse umstellen. Was machen wir bei der EPIT? Solche Fragen stellen dann natürlich vor allem die Zulassungsbehörden beziehungsweise hierzulande auch der Gemeinsame Bundesausschuss, der dann darüber entscheiden muss, ob diese Therapie Kassenleistung wird“, erklärte Beyer. „Das medizinische Interesse für weitere Therapien gegen die Erdnussallergie ist auf jeden Fall da. Im Vergleich zu anderen Allergien sehen wir bei der Erdnussallergie – aber auch bei Allergien gegen Schalenfrüchte wie Haselnuss oder Cashew – einen steigenden Trend. Und sie ,verwächst‘ sich nur selten. Wir gehen zurzeit auch davon aus, dass je früher die Therapie beginnt, desto vielversprechender scheint sie zu sein. Noch erstrebenswerter als die orale oder die epikutane Immuntherapie mit nur einem Allergen wäre natürlich ein multisystemischer Ansatz, zum Beispiel eine Multi-Erdnuss/Nuss-OIT oder -EPIT, eine Anti-IgE-Therapie oder auch die Kombination hiervon, denn viele Kinder mit Erdnussallergie haben nicht nur eine Nahrungsmittelallergie. Insgesamt kann man sagen, dass wir froh über jede weitere Therapieoption sind, sodass wir unseren Patienten eine individualisierte Therapie anbieten können.“
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