Entwicklung des Risikoverhaltens von Jugendlichen in den USA

Psychische Probleme nehmen bei Kindern und Jugendlichen zu. (Foto: © 1STunningArt – stock.adobe.com)

Jugendliche zeigen heutzutage insgesamt weniger Risikoverhalten wie Alkoholkonsum oder körperliche Auseinandersetzungen, der Anteil an Depressivität und Suizidalität nimmt jedoch zu. Das zeigt eine US-amerikanische Studie.

Kinder und Jugendliche sind zunehmend von psychischen Problemen betroffen. Auch in Deutschland haben Depressivität und Angstsymptome bei Kindern und Jugendlichen zugenommen. Häufig genannte Gründe sind die aktuellen Unsicherheiten und Krisen in der Welt sowie die Nachwirkungen der Pandemie und ihrer Maßnahmen. Um hier sinnvolle Hilfsangebote zu entwickeln, ist es wichtig, die Mechanismen zu verstehen, mit denen Kinder und Jugendliche auf Probleme reagieren.

Ein Forschungsteam aus Boston hat nun das gesundheitsbezogene Risikoverhalten von Jugendlichen zwischen 1999 und 2021 in den USA untersucht. Dafür verwendeten sie Daten der „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC), einer Behörde des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums. Diese erheben alle zwei Jahre mittels des Youth Risk Behavior Survey (YRBS) Daten über das Risikoverhalten von Schülerinnen und Schülern der neunten bis zwölften Klasse. Als Risikoverhalten wird internalisierendes Risikoverhalten (depressive Symptome, Suizidalität), Substanzkonsum (Alkohol, Marihuana), sexuelles Risikoverhalten (Anzahl Sexualpartner, Verhütung) und Gewalt (Mitführen von Waffen, körperliche Auseinandersetzungen) erfasst. Die Forschenden bildeten aus den Verhaltensweisen fünf Profile: „alles gering“, „alles hoch“, „hohe Internalisierung“, „hoher Sex“ und „hoher Substanzkonsum“. 

Die deskriptive Analyse der Daten von mehr als 178.000 Befragten ergab, dass die meisten Jugendlichen insgesamt wenig Risikoverhaltensweisen zeigten und der Anteil an Jugendlichen dieser Gruppe („alles gering“) über die Zeit zunahm. Das Auftreten von externalisiertem Risikoverhalten wie Substanzkonsum und riskantem Sexualverhalten nahm ab, genauso wie der Anteil der Befragten, bei denen alle riskanten Verhaltensweisen stark ausgeprägt waren.

Internalisierendes Risikoverhalten nahm hingegen zu. Diese Trends verstärkten sich während der COVID-19-Pandemie, für diese Zeitpunkte gab es allerdings nur wenig Erhebungszeitpunkte. In der Gruppe der hohen Internalisierung war das Durchschnittsalter etwas geringer und es waren mehr Mädchen als Jungen vertreten (65,5%). In der Gruppe mit hohem Substanzkonsum waren hingegen anteilig mehr Jungen (60,8%). 

Präventionsprogramme fördern

Prof. Hanna Christiansen, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Philipps-Universität Marburg, hält den Befund, „dass die Belastungen und risikoreiches Verhalten insgesamt abnehmen, aber internalisierende Belastungen zunehmen, für hoch relevant“. Auf dieser Basis können Interventions- und Präventionsangebote angepasst werden. Denn internalisierende Störungen des Kindesalters seien ein Schrittmacher für Störungen im Erwachsenenalter, wie  Studien zeigten. „Insofern sollten Programme zur Prävention und Intervention in diesem Bereich Priorität haben. Dafür brauchen wir belastbare Daten – für Deutschland wäre ein analoges Monitoring der psychischen Gesundheit zu fordern, um den momentanen nationalen Blindflug in diesem Bereich zu beenden.“

Den in der Studie gezeigten Rückgang klassischer Muster des Risikoverhaltens hält Ullrich Bauer, Professor für Sozialisationsforschung an der Universität Bielefeld, für „nur bedingt positiv, da nicht alle Gruppen gleichermaßen davon profitieren und gleichzeitig die mentale Gesundheit junger Menschen zunehmend leidet. Die langfristigen Folgen dieser wachsenden inneren Belastung sind noch unklar, doch bereits jetzt steigt der Anteil hilfsbedürftiger Jugendlicher. Dies führt zu mehr Verunsicherung und schränkt die Fähigkeit ein, ein selbstbestimmtes und belastungsfreies Leben zu führen. Man könnte auch folgern: Weniger äußere Risiken, aber mehr innere Belastung – ein ambivalenter Trend“.