Epilepsie: Anfälle mit innovativen Therapien kontrollieren

Gentherapie könnte in Zukunft eine wichtige Rolle bei der Behandlung bestimmter Epilepsieformen spielen. (Foto: © TuMeggy – stock.adobe.com)

Neue Technologien und Therapieansätze machen Hoffnung, künftig auch bei bislang therapieresistenten Epilepsieformen eine zuverlässige Anfallskontrolle zu erreichen. Insbesondere die Gentherapie bietet hier spannende Konzepte, wie die DGN zum Auftakt ihres Jahreskongresses in Berlin berichtete.

Bei zwei Dritteln der Betroffenen lässt sich die Epilepsie durch herkömmliche anfallssupprimierende Medikamente gut behandeln. Ein Drittel der Patienten spricht jeoch nicht oder nur sehr schlecht darauf an. „Bislang stehen nur nicht medikamentöse Therapien zur Verfügung, wenn die herkömmlichen Anfallssuppressiva nicht wirken. Diese sind jedoch oft invasiv“, erklärte Prof. Yvonne Weber vom Epilepsiezentrum Aachen und Kongresspräsidentin des DGN-Kongresses 2025. Eine Alternative dazu könnten verschiedene Gentherapien sein, die sich derzeit in der Entwicklung befinden. Sie seien allerdings nur für Patienten aussichtsreich, bei denen die Epilepsie auf eine spezielle Genveränderung zurückzuführen ist, schränkte Weber ein. Chemogenetische Ansätze, die derzeit ebenfalls erforscht werden, könnten hingegen bei allen Patienten wirken.

Gentherapie bei Dravet-Syndrom

Das Dravet-Syndrom ist auf Loss-of-function-Mutationen im SCN1A-Gen auf einem der beiden DNA-Stränge zurückzuführen, infolge derer die Produktion von Natriumkanälen im Gehirn beeinträchtigt ist. Denn dafür ist das Protein Nav1.1 erforderlich, das vom SCN1A-Gen gebildet wird. 

Aktuell befänden sich verschiedene Präparate in der Entwicklung, die gezielt Nav1.1 adressieren, berichtete Weber. Ein Beispiel ist eine Gentherapie, die den Adeno-assoziierten Virus 9 (AAV9) als Vektor nutzt, um die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und so den Wirkstoff (ETX101) direkt in den Zellkern der Neuronen im Gehirn zu bringen. Dieser wirkt am nicht mutierten DNA-Strang und sorgt dort für eine erhöhte Produktion des NAV1.1‑Moleküls, sodass der mutationsbedingte Mangel ausgeglichen wird.

Die Therapie repariere nicht das fehlerhafte Gen beziehungsweise den fehlerhaften DNA-Strang, sondern reguliere die endogene SCN1A-Genexpression hoch, erkärte die Expertin. Das Besondere an dieser Therapie: Bereits eine einmalige Gabe des Medikamentes soll die Genexpression dauerhaft verändern. Tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass das Medikament zu einer verringerten Anfallshäufigkeit und einer verbesserten Langzeitüberlebensrate führte. Aktuell laufen nach Angaben Webers drei Phase-I/II-Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit klinisch zu überprüfen (NCT06283212, NCT06112275, NCT05419492).

Gentherapie bei fokaler kortikaler Dysplasie

Auch für das Krankheitsbild der fokalen kortikalen Dysplasie befinde sich eine Gentherapie in der Entwicklung, berichtete die Epileptologin. Hier wird der Wirkstoff, ein transgenes, künstlich hergestelltes Kaliumkanalprotein (EKC), ebenfalls via AAV9 in das Gehirn gebracht, um die Expression des Kaliumkanal-Gens Kv1.1 zu erhöhen. Eine erste experimentelle Studie habe gezeigt, dass die Injektion von AAV9-CAMK2A-EKC die Anfallshäufigkeit um etwa 64 Prozent reduzieren konnte, erklärte Weber.

Mit „Designer“-Rezeptoren zum Therapieansprechen

Als weiteren neuen Therapieansatz stellte die Expertin die Nutzung künstlich entwickelter Rezeptoren, sogenannter DREADDs („Designer Receptors Exclusively Activated by Designer Drugs“) vor, die nur durch spezielle Wirkstoffe aktiviert werden. In einer Studie sei ein inhibitorischer Designer-Rezeptor (hM4Di) in die Vorderhirnregion des primären motorischen Kortex (MI) von zwei Affen eingebracht worden. Anschließend sei gezielt ein epileptischer Anfall im motorischen Kortex ausgelöst worden, was zu nachfolgenden schweren epileptischen Anfällen führte, berichtete Weber. Durch die anschließende Gabe eines passenden, auf den Rezeptor abgestimmten Wirkstoffs (Chloroclozapin) konnten die Anfälle schnell und gezielt unterdrückt werden. „Diese Therapieoption befindet sich noch nicht in der klinischen Prüfung, ist aber ein grundlegend neuer, innovativer Ansatz, mit dessen Hilfe perspektivisch auch grundsätzlich Medikamentenresistenz überwunden werden könnte – und zwar bei allen Indikationen“, erklärte Weber.