ExTra-Studie: Untersuchung soll Mangel an Spenderlebern verringern helfen16. Oktober 2025 Die normotherme Maschinenperfusion: Die Spenderleber wird unter körperähnlichen Bedingungen durchspült und kann sich von Transport und Lagerung auf Eis erholen. Besteht sie den strengen Qualitätscheck, kann sie transplantiert werden. (Foto: © Charité/Nathanael Raschzok) Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat mit einer Studie zur normothermen Maschinenperfusion bei zunächst als nicht transplantabel deklarierten Spenderlebern begonnen. An der Untersuchung nehmen Transplantationszentren aus ganz Deutschland teil. Bis zu ein Drittel der Menschen, die eine Lebertransplantation benötigen, werden während der Wartezeit zu krank für den Eingriff oder versterben an ihrer Erkrankung. „Leider wird die Situation immer schlimmer, weil immer weniger Organe gespendet werden“, erklärt Prof. Nathanael Raschzok. Er ist geschäftsführender Oberarzt an der Chirurgischen Klinik der Charité und leitet die jetzt gestartete ExTra-Studie (Ex vivo liver machine perfusion for decreasing time to transplantation).* „Wir wollen mittels normothermer Maschinenperfusion Spenderlebern vermitteln, die sonst verworfen worden wären, und so die Wartezeit bis zur Transplantation für Menschen reduzieren, die weiter unten auf der Warteliste stehen.“ Situation in Deutschland: immer noch zu wenige Spenderorgane Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hatte Ende September aktuelle Zahlen zu Organspenden in Deutschland veröffentlicht, aufgeschlüsselt nach Bundesländern (wir berichteten). Demnach wurden hierzulande zuletzt etwas mehr Organe gespendet als in den Vorjahren. Von Januar bis August dieses Jahres waren es zusammen 2025 Organe. Im jeweiligen Vergleichszeitraum 2023 wurden insgesamt 1967, im Jahr 2024 dann 1909 Organe in Deutschland entnommen und später transplantiert. Dennoch beurteilte die DSO in ihrem Jahresbericht 2024 die Situation weiterhin als schwierig, denn immer noch gebe es einen viel größeren Bedarf als Spenderorgane. Warum die Organspülung nötig ist Bei der normothermen Maschinenperfusion wird das Organ mit einer nährstoff- und sauerstoffhaltigen Blutersatzflüssigkeit durchspült – und zwar bei Körpertemperatur. Die körperwarmen Bedingungen sollen dem Gewebe Zeit für die Regeneration geben, denn standardmäßig werden Organe nach der Entnahme auf Eis gekühlt, um Schäden während des durchblutungsfreien Transfers möglichst gering zu halten. „Das Kühlen eignet sich gut für topfitte Organe“, erklärt Nathanael Raschzok. „Es gibt allerdings auch weniger fitte, aber funktionsfähige Organe, die einen gekühlten Transport und die Lagerung auf Eis nicht so gut überstehen.“Das macht sich bemerkbar, sobald die Organe auf Körpertemperatur erwärmt und dadurch wieder besser mit Blut versorgt werden – es kommt zum Reperfusionsschaden. Bei der Transplantation von Organen ereignet sich dieser Schaden im Körper des Empfängers, wodurch es zu Abstoßungsreaktionen oder einem Transplantatversagen kommen kann. Sind die Organe nicht in einem optimalen Zustand, fällt das Phänomen stärker ins Gewicht als sonst. Die Kühlung eignet sich nur für Spenderorgane, die in einem Top-Zustand sind. (Abbildung: © Destina/stock.adobe.com) Organspülung schützt und schafft Zeit für strenge Qualitätsprüfung Mithilfe der Maschinenperfusion wird die Wiederdurchblutung vorverlegt und findet außerhalb des Körpers statt. „Indem wir die Organe nach dem gekühlten Transport für einige Stunden unter ‚Wohlfühlbedingungen‘ für die Transplantation vorbereiten, geben wir ihnen Zeit für die Erholung, Schadstoffe können in Ruhe ausgewaschen werden“, erläutert Raschzok. „Das macht die Transplantation weniger kompliziert und sicherer. Außerdem erweitern wir das Zeitfenster, in dem die Transplantation stattfinden muss.“Dieses Zeitfenster nutzt das Klinikteam für eine eingehende Qualitätsprüfung von Spenderlebern, die bisher als nicht transportabel oder für eine Transplantation geeignet eingestuft worden wären. Da die Organe während der Maschinenperfusion stoffwechselaktiv sind, lässt sich bestimmen, wie gut sie beispielsweise Galle produzieren oder Laktat ausscheiden. „An diese Funktionsmessung legen wir besonders strikte Kriterien an“, betont Nathanael Raschzok. „Erste Studien haben gezeigt, dass Lebern, die den Qualitätstest bestehen, erfolgreich transplantiert werden können.“ Ziel: Wartezeit senken – und Leben retten In der ExTra-Studie werden die geprüften und als funktionsfähig bewerteten Organe Patient:innen mit einem Re-MELD-Natrium-Score bis maximal 21 Punkten angeboten, deren Lebererkrankung also eine Transplantation nötig macht, aber noch nicht als hochdringlich eingestuft wird. An der Studie werden 18 der 19 universitären Leber-Transplantationszentren in Deutschland teilnehmen, vier Zentren haben bisher die Arbeit aufgenommen. Eine erste „gerettete“ Spenderleber konnte an der Charité bereits erfolgreich transplantiert werden.„Wir hoffen sehr, dass wir mit der ExTra-Studie die Zahl der geeigneten Spenderlebern erhöhen und so die quälende Wartezeit der Betroffenen verkürzen können“, sagt Raschzok. Sollte sich die Hoffnung bestätigen, könnte die Technik zum neuen Standard in der Lebertransplantation werden – und viele Menschenleben retten. In Deutschland werden jedes Jahr über hundert Spenderlebern aussortiert, die sich für die Organspülung eignen. „Wir schätzen, dass die Hälfte dieser Organe transplantierbar wäre, wir mit dem Verfahren in Deutschland pro Jahr also 50 Lebern oder mehr zusätzlich transplantieren könnten“, betont der Studienleiter. * Bei ExTra handelt es sich um eine offene, prospektiv-randomisierte, multizentrische Studie, die Patienten ab 18 Jahren einschließt, die einen Re-MELD-Natrium-Score von 21 oder niedriger erreichen, ohne Anspruch auf Sonderpunkte. An der Studie Teilnehmende werden zufällig entweder der Kontroll- oder der Interventionsgruppe zugeordnet. Patienten in der Kontrollgruppe folgen der regulären Organverteilung, denjenigen in der Interventionsgruppe werden zusätzlich gerettete Organe angeboten, die mittels Maschinenperfusion qualitätsgeprüft worden sind. Die Studie steht unter Leitung der Charité und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 1,8 Millionen Euro für zunächst drei Jahre gefördert. Die geplante Gesamtdauer der Studie beträgt sechs Jahre. Neben der Charité werden die Transplantationszentren der Uniklinika Aachen, Bonn, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Jena, Kiel, Leipzig, Magdeburg, München, Münster, Regensburg, Rostock, Tübingen und Würzburg an der Studie teilnehmen. Bereits gestartet sind die Zentren an der Charité, in Aachen, Hamburg und Münster.
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