Familien mit Zöliakiepatienten: Vorsichtmaßnahmen in der Küche oft übertrieben?1. Oktober 2019 Foto: © Brian Jackson/Adobe Stock Ist ein Kind an Zöliakie erkrankt, ergreifen viele Eltern jede erdenkliche Vorsichtsmaßnahme, um zu verhindern, dass es zu einem Kontakt mit Gluten kommt – bis hin zur Verwendung unterschiedlicher Küchenutensilien bei der Zubereitung von Essen. Laut einer neuen Studie ist dies aber gar nicht unbedingt notwendig. Mediziner vom Children’s National Hospital in Washington fanden in ihrer Untersuchung keine signifikante Glutenübertragung, wenn beispielsweise derselbe Toaster oder dieselben Messer für glutenfreie und glutenhaltige Lebensmittel verwendet werden. Darüber hinaus könne eine grundlegende Küchenhygiene, einschließlich routinemäßiges Abspülen beziehungsweise Reinigen entsprechender Utensilien oder Geräte sowie regelmäßiges Händewaschen die Übertragung von Gluten weiter verringern oder verhindern. Die Autoren untersuchten den Sachverhalt in verschiedenen Szenarien, bei denen davon ausgegangen wurde, dass der Glutentransfer hoch genug sein könnte, um ein Expositionsrisiko für Zöliakiepatienten darzustellen. Von einem solchen Risiko wird im Allgemeinen bei einer Menge von mehr als 20 ppm (parts per million) oder 0,002 Prozent ausgegangen. So ergab sich ein Glutengehalt unter 20 ppm, wenn glutenfreies Brot in demselben Toaster wie normales Brot geröstet wurde – auch bei wiederholten Tests und selbst wenn glutenhaltige Krümel am Boden des Toasters vorhanden waren. Beim Kochen glutenfreier Nudeln im selben Wasser wie normale Nudeln kam es zwar zu einer signifikanten Glutenübertragung – manchmal bis zu 115 ppm – doch wurden die glutenfreien Nudeln nach dem Kochen unter fließendem Leitungswasser abgespült, sank die Menge übertragenen Glutens unter 20 ppm. Wurde der Topf vor der Wiederverwendung einfach mit frischem Wasser ausgespült, war keine Übertragung von Gluten nachweisbar. „So viele Eltern von Kindern mit Zöliakie, ich eingeschlossen, haben in der Vergangenheit alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um zuhause eine Glutenexposition zu verhindern. In vielen Fällen bedeutet dies, dass wir alles doppelt haben – Toaster, Messer und Nudeltöpfe – die wir kaum oder gar nicht brauchten“, sagt Vanessa Weisbrod, Geschäftsführerin des Zöliakie-Programmes am Children’s National Hospital, die die Studie konzipiert und geleitet hat. „Obwohl die Stichprobe klein ist, lässt mich diese Studie hoffen, dass wir eines Tages empirische Beweise haben werden, die den Familien, mit denen wir zusammenarbeiten, die Sicherheit geben, dass sie für einen optimalen Schutz nicht zwei Kücheneinrichtungen brauchen. Und dass man auch die Oma besuchen oder in Urlaub fahren kann, ohne dass man dabei einen zweiten Toaster braucht. Alles, was nötig ist, ist eine gut geführte Küche und persönliche Hygiene.“ „Dies sind Bereiche in der Küche, in denen wir heute Familien beibringen, viel Vorsicht walten zu lassen. Wir empfehlen weiterhin, alle Empfehlungen des Zöliakie-Teams zu befolgen, um Kreuzkontaminationen zu vermeiden, während wir weitere Untersuchungen durchführen“, fügt Dr. Benny Kerzner, Seniorautor der Studie und Leiter des Zöliakie-Programmes am Children’s National Hospital hinzu. „Aber die Ergebnisse sind überzeugend genug, dass unsere Zöliakiepatienten die aktuellen Empfehlungen mit einem kritischem Blick betrachten und evidenzbasierte Ansätze anwenden sollten, um festzustellen, wo die wahren Risiken für die Familie liegen, und einige der übervorsichtigen Veränderungen im Lebensstil, die wir nach der Zöliakiediagnose eines Familienmitgliedes manchmal beobachten, über Bord zu werfen.“ „Diese Studie liefert neuartige Daten, die das Risiko einer Glutenexposition bei der Zubereitung glutenfreier Lebensmittel zusammen mit glutenhaltigen Lebensmitteln quantifizieren, und unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen in diesem Bereich, damit die Empfehlungen evidenzbasiert sind“, bemerkt Dr. Jocelyn Silvester, Forschungsleiter für das Zöliakie-Programm am Boston Children’s Hospital. Sie leitete die biostatistische Analyse für die Studie. Das Wichtigste, was Familien tun können, um eine Glutenreaktion zu verhindern, sind laut den Studienautoren einfache Hygieneschritte wie das Waschen von Töpfen, Pfannen und Küchenutensilien mit Wasser und Reinigungsmittel nach jedem Gebrauch (und vor dem Zubereiten glutenfreier Lebensmittel). Auch sollten sich alle Familienmitglieder vor der Zubereitung glutenfreier Speisen die Hände mit Wasser und Seife waschen. „Die Belastung, die eine strikte glutenfreien Ernährung mit sich bringt, wird mit der der Therapie einer Nierenerkrankung im Endstadium verglichen und die Belastung von Lebenspartnern mit der Pflege von Krebspatienten“, sagt Marilyn G. Geller, Geschäftsführerin der Celiac Disease Foundation. „Diese vorläufige Studie ist macht uns Mut, dass diese Belastung verringert werden kann, indem die beste Praxis zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen wissenschaftlich bewertet werden.”
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