Melanom und Darmbakterien: Gesundes Mikrobiom erhöht Chancen auf Erfolg einer Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren1. März 2022 Malignes Melanom (Foto: © lavizzara/stock.adobe.com) In der nach Angaben der Autorinnen und Autoren bisher größten Studie haben Forschende den Zusammenhang zwischen dem Darmmikrobiom und dem Ansprechen auf eine Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) bei Melanomen bestätigt. Die Studie wurde kürzlich in „Nature Medicine“ veröffentlicht und gemeinsam koordiniert vom King’s College London (Großbritannien), der Abteilung für Zelluläre, Computer- und Integrative Biologie (CIBIO) der Universität Trient und dem Europäischen Institut für Onkologie (beide Italien) und der Universität Groningen (Niederlande). Dr. Karla Lee, klinische Forscherin am King’s College London und Erstautorin der Studie, erklärt: „Vorläufige Studien an einer begrenzten Anzahl von Patientinnen und Patienten haben gezeigt, dass das Darmmikrobiom als Regulator des Immunsystems eine Rolle bei Ansprechen jedes Einzelnen auf eine Krebsimmuntherapie spielt, und dies insbesondere beim Melanom. Diese neue Studie könnte einen großen Einfluss auf die Onkologie und Medizin im Allgemeinen haben.“ Weniger als 50 Prozent aller Betroffenen, so heißt es in einer Mitteilung des King’s College London anlässlich der Veröffentlichung der Studie, sprächen positiv auf eine Melanom-Immuntherapie an. Es sei daher von großer Bedeutung Strategien zu finden, mit denen sich die Zahl der positiven Responder erhöhen lässt. Für die aktuelle Untersuchung stellten die Forschenden die nach eigenen Angaben bisher größte Kohorte von Personen mit Melanom und Proben ihres Darmmikrobioms aus fünf klinischen Zentren in Großbritannien, den Niederlanden und Spanien zusammen. Anhand dieser Kohorte führte man eine groß angelegte metagenomische Studie durch, um zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung und Funktion des Darmmikrobioms und dem Ansprechen auf ICI gibt. Die Ergebnisse, so berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, bestätigten einen komplexen Zusammenhang aufgrund der Beteiligung verschiedener Bakterienarten in unterschiedlichen Patientenkohorten. Das Vorhandensein von drei Arten von Bakterien (Bifidobacterium pseudocatenulatum, Roseburia spp. und Akkermansia muciniphila) scheint demnach mit einer besseren Immunantwort verbunden zu sein. Eine weitere Erkenntnis war, dass das Mikrobiom selbst stark von Faktoren wie Patientenkonstitution, Einsatz von Protonenpumpenhemmern und Ernährung beeinflusst wird, die in zukünftigen Längsschnittstudien berücksichtigt werden sollten. „Diese Studie zeigt, dass sich die Überlebenschancen basierend auf gesunden Mikroben zwischen den Untergruppen fast verdoppelt haben“, sagt Co-Autor Prof. Tim Spector vom King’s College London. „Das ultimative Ziel ist es, zu identifizieren, welche spezifischen Merkmale des Mikrobioms den klinischen Nutzen der Immuntherapie direkt beeinflussen, um diese Merkmale in neuen personalisierten Ansätzen zur Unterstützung der Krebsimmuntherapie zu nutzen. Aber in der Zwischenzeit unterstreicht diese Studie die potenziellen Auswirkungen einer guten Ernährung und Darmgesundheit auf die Überlebenschancen von Patienten, die sich einer Immuntherapie unterziehen.“ Co-Autor Prof. Nicola Segata von der Universität Trient ergänzt: „Unsere Studie zeigt, dass die Untersuchung des Mikrobioms wichtig ist, um Immuntherapien bei Melanomen zu verbessern und zu personalisieren. Es deutet jedoch auch darauf hin, dass aufgrund der Variabilität des Darmmikrobioms von Person zu Person noch größere Studien durchgeführt werden müssen, um die spezifischen Darmmikrobenmerkmale zu verstehen, die mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einer positiven Reaktion auf die Immuntherapie führen.“ Schädliche Darmbakterien könnten eine größere Rolle spielen als hilfreiche Zur Rolle des Darmmikrobioms bei Melanompatientinnen und -patienten unter Immun-Checkpoint-Therapie ist in „Nature Medicine“ eine weitere Arbeit erschienen. Darin berichtet eine US-amerikanische Arbeitsgruppe ebenfalls über ein je nach Zusammensetzung des der Mikrobiota im Darm unterschiedliches Ansprechen auf die Behandlung. Ihre Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Mikroorganismen, die die Wirkung der Therapie beeinträchtigen, einen größeren Einfluss haben als die nützlichen. „Unsere Ergebnisse werfen ein neues Licht auf die hochkomplizierte Wechselwirkung zwischen dem Darmmikrobiom und der Reaktion der Krebsimmuntherapie und stellen die Weichen für zukünftige Studien“, erklärt Studienautor Andrey Morgun vom College of Pharmacy der Oregon State University. Außerdem waren an der Veröffentlichung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des National Cancer Institute, des Frederick National Laboratory for Cancer Research und der University of Pittsburgh beteiligt. Die ICI-Therapie sei ein „Game Changer“ in der Krebstherapie gewesen, fährt Morgun fort. Eine Reihe von Studien habe gezeigt, dass die Darmmikrobiota eine Rolle dabei spielen, wie gut eine Patientin oder ein Patient auf eine ICI anspricht. Morgun wertete gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen Daten von mehreren Kohorten von Melanompatientinnen und -patienten aus, die eine Anti-PD-1-Therapie erhielten. Dabei verwendeten sie unter anderem die Transkingdom-Netzwerkanalyse. Diese war von Morgun und Natalia Shulzhenko vom Carlson College of Veterinary Medicine (USA) entwickelt worden, um zu bestimmen, welche Bakterien mit einem besseren oder schlechteren Ansprechen auf die Behandlung assoziiert sind. Man habe mehrere mikrobielle Gemeinschaften (Mikrobiotypen) gefunden, von denen einige eindeutig mit dem Ansprechen auf eine Krebsimmuntherapie korrelierten, wie Morgun berichtet. „Zwei mikrobielle Signaturen – bei einer waren Lachnospiraceae-Arten vergleichsweise stark vertreten, bei der anderen Streptococcaceae-Arten – waren mit einem günstigen beziehungsweise ungünstigen klinischen Ansprechen verbunden.“ Die Ergebnisse deuten den Forschenden zufolge auch darauf hin, dass etwa ein Jahr nach Beginn der Behandlung die Darmmikrobiota zu einem dominanten Faktor beim Ansprechen auf die Therapie werden und dass die Mikroben, die die Therapie beeinträchtigen, eine größere Rolle zu spielen scheinen als diejenigen, die der Therapie zugutekommen, fügt Morgun hinzu.
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