Mitglieder des Mikrobioms bekämpfen Salmonellen-Infektionen gezielt

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Klebsiella oxytoca. (Aufnahme: © HZI/Mathias Müsken)

Forschende des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben zwei Mechanismen entdeckt, mit denen Klebsiella-Bakterien die Ausbreitung von Salmonellen im Darm eindämmen.

Das internationale Team um die HZI-Wissenschaftler Dr. Lisa Osbelt-Block und Prof. Till Strowig fanden unter anderem heraus, dass insbesondere Bakterien der Art Klebsiella oxytoca die Salmonellen auf mehreren Wegen unter Druck setzen können. Womöglich könnte auf Basis der Erkenntnisse einmal eine Therapie entwickelt werden, die einen ganz anderen Ansatz hat als die heute bekannten Behandlungen bei Infektionen: Statt Antibiotika gegen Salmonellen einzusetzen, die als Nebenwirkung das wichtige Mikrobiom schwächen, könnte man das Mikrobiom gezielt stärken und wehrhafter gegen Salmonellen machen. Die jüngsten Ergebnisse haben die Forschenden jetzt im Fachjournal „Nature Microbiology” veröffentlicht, eine für die Methodik wegweisende Studie der Wissenschaftler:innen ist bereits im Februar im „Journal of Bacteriology” erschienen.

Bakterien im Darm konkurrieren nach der Zersetzung von Nahrung nicht nur untereinander um die dabei entstehenden Nährstoffe, sondern mitunter auch mit gefährlichen Eindringlingen wie Salmonellen oder enterohämorrhagischen Escherichia coli (EHEC). Gegen Salmonellen scheint eine bestimmte Bakterienart des Mikrobioms besonders schlagkräftig zu sein, wie die Forschenden aus der HZI-Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“ jetzt herausfanden. Dabei handelt es sich um Bakterien vom Typ K. oxytoca. Sie wirken auf mehrere unterschiedliche Arten gegen Salmonellen – und das eröffnet grundlegend neue Therapieansätze, deren Prinzipien sich womöglich auch auf die Behandlung anderer Infektionskrankheiten übertragen lassen.

Bakterien des Mikrobioms nehmen den Salmonellen Nahrung weg

Wie genau K. oxytoca den Salmonellen zusetzt, berichten die Forschenden vom HZI nun gemeinsam mit Kollegen von der Universität Graz in Österreich, dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in Braunschweig und Hannover. Finanziell unterstützt wurde die Forschungsarbeit unter anderem vom europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESF), von der Joint Programming Initiative on Antimicrobial Resistance (JPIAMR) und dem österreichischen Wissenschaftsfonds.

Der erste Mechanismus, über den K. oxytoca Salmonellen unter Druck setzt, ist schlicht die Konkurrenz um Nahrung. „Man könnte es so beschreiben: K. oxytoca und Salmonellen haben gewissermaßen den gleichen Geschmack”, formuliert Osbelt-Block. „Sie konkurrieren daher um die gleichen Nährstoffe. Wenn mehr das Gleiche wollen, dann setzt das alle unter Druck – und weil K. oxytoca etwas durchsetzungsfähiger ist, geraten insbesondere die Salmonellen ins Hintertreffen: Für sie ist weniger Nahrung da, was ihre Ausbreitung stört.“

Ein bislang als ausschließlich schädlich eingestuftes Toxin kann Salmonellen in Schach halten

Ein großer Anteil der K.-oxytoca-Stämme kann außerdem ein Toxin ausschütten, das sich auf den menschlichen Darm toxisch auswirkt. Das Forschungsteam fand nun überraschenderweise heraus, dass dieses Toxin von K. oxytoca auch gegen die Salmonellen wirkt. Das ist zum Teil ein Paradigmenwechsel: Bisher waren ausschließlich negative Wirkungen des Toxins bekannt, es erschien keinen Nutzen zu haben, dass ausgerechnet ein Bakterium des Mikrobioms ein solches Toxin ausschüttet. „Mit der Wirkung des Toxins auf die Salmonellen könnte man sich die Ausschüttung des Toxins ein Stück weit evolutionär erklären“, sagt Strowig. „Interessanterweise findet man Stämme, die das Toxin produzieren können, insbesondere im Mikrobiom von Kindern. In manchen Studien finden sich Toxin-produzierende Stämme bei fast jedem zweiten Kind. Auch das ergibt jetzt zumindest theoretischerweise ein wenig Sinn.“

Trotzdem sehen die Wissenschaftler im Ankurbeln der Ausschüttung des Toxins keine therapeutische Option. „Die schädigende Wirkung des Toxins steht weiterhin deutlich im Vordergrund. Daher ist es zur Vorbeugung gegenüber einer Salmonellen-Infektion oder zur Bekämpfung derselben eher erstrebenswert, die Menge an K. oxytoca auf einem stabilen Mittelmaß zu halten“, erklärt Osbelt-Block. Hinweise, wie das gelingen könnte, hat das Forschungsteam auch bereits gefunden: Offenbar führt eine zucker- und kohlenhydratreiche Ernährung dazu, dass K. oxytoca mehr Toxin ausschüttet. Eine zucker- und kohlenhydratarme Ernährung hingegen bewirkt, dass das Bakterium weniger Toxin ausschüttet.

Auch ein vielfältiges Mikrobiom schützt vor Salmonellen

Die Forschenden suchen nun noch nach anderen, spezielleren Möglichkeiten, wie sich die Menge an K. oxytoca und die Toxinausschüttung beeinflussen lassen. „Wenn wir hier wirksame Hebel finden und man beispielsweise durch eine bestimmte Ernährungsweise oder die Einnahme bestimmter Substanzen K. oxytoca gezielt beeinflussen kann, dann eröffnet das eine völlig neue Perspektive: Man könnte das Mikrobiom gezielt stärken“, fährt Strowig fort. Angesichts der aktuellen Therapieoption einer schweren Salmonelleninfektion wäre das ein enormer Fortschritt, denn derzeit werden Antibiotika verabreicht – die auch negative Folgen haben. „Es dezimiert auch die Vielfalt des Mikrobioms. Und ein vielfältiges Mikrobiom ist bekanntermaßen gesund und wichtig. Das gilt übrigens auch für die Wehrhaftigkeit gegen Salmonellen: Je mehr verschiedene Stämme im Mikrobiom sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass einige Stämme wie K. oxytoca mit den Salmonellen um die verbleibenden Ressourcen konkurrieren“, unterstreicht Osbelt-Block.

Neu etablierte Methode ermöglicht auch die Untersuchung anderer Bakterien des Mikrobioms

Neben der Suche nach Möglichkeiten zur gezielten Beeinflussung von K. oxytoca und naher Verwandter versuchen Osbelt-Block, Strowig und ihr Team auch die Wirkweise von K. oxytoca besser zu verstehen. Dazu schalten sie bei dem Bakterium gezielt Gene ein und aus – und das, während es im Verdauungstrakt von Tieren ist. Über die Anwendung dieser Methode haben die Forschenden bereits eine Publikation im „Journal of Bacteriology“ veröffentlicht. Die Methode, die mit der Anwendung der Genschere CRISPR verwandt ist, könnte auch dazu dienen, die Funktion anderer Bakterien im Mikrobiom zu analysieren. Hier gibt es noch viel zu entdecken, denn Expertenschätzungen zufolge besteht das Mikrobiom häufig aus mehr als 500 Spezies.