Pankreaskarzinom: Nichtinvasive Identifizierung von Betroffenen mittels Mikrobiomanalyse?10. März 2022 Abbildung: © magicmine/stock.adobe.com Laut einer neuen Studie kann ein spezifisches Panel von Darmmikroben auf Bauchspeicheldrüsenkrebs hindeuten – unabhängig davon, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist. Die Ergebnisse der Arbeit lassen den Autorinnen und Autoren zufolge auf eine neue nichtinvasive Methode zur Diagnose dieser schwer zu behandelnden Erkrankung hoffen. Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Veränderungen im Mikrobiom sowohl bei der Entwicklung eines Pankreastumors als auch bei einem Progress eine Rolle spielen können. Um dies zu erforschen, analysierte die Arbeitsgruppe 100 Speichel- und 212 Stuhlproben sowie Bauchspeicheldrüsengewebe von 57 Erwachsenen, bei denen ein duktales Pankreaskarzinom neu diagnostiziert worden war und denen eine Therapie noch bevorstand. Im Frühstadium war die Erkrankung bei 25 von ihnen entdeckt worden, bei 32 befand sie sich schon im fortgeschrittenen Stadium. Ebenfalls in die Studie aufgenommen wurden 50 gesunde Kontrollpersonen sowie 29 mit chronischer Pankreatitis. Das Darmmikrobiom habe mehr relevante Informationen enthalten als das Mundmikrobiom, berichten die Forschenden. Nach Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, Adipositas und Diabetes wurde in den Stuhlproben von Personen mit duktalem Pankreaskarzinom im Vergleich zu Menschen mit chronischer Pankreatitis und solchen ohne beide Erkrankungen ein spezifisches mikrobielles Profil beobachtet. Mit Verfahren des maschinellen Lernens identifizierte die Arbeitsgruppe eine charakteristische Anreicherung bestimmter Bakterienarten und einen relativen Mangel anderer: Methanobrevibacter smithii, Fusobacterium nucleatum, Alloscardovia omnicolens, Veillonella atypica und Bacteroides finegoldii waren in den Stuhlproben der Krebspatientinnen und -patienten in großen Mengen vorhanden, während für Faecalibacterium prausnitzii, Bacteroides coprocola, Bifidobacterium bifidum oder Romboutsia timonensis ein Abbau beobachtet wurde. Dieses mikrobielle Profil identifizierte konsistent Personen mit einem duktalen Pankreaskarzinom, unabhängig davon, wie weit die Erkrankung fortgeschritten war. Dies deutet laut den Forschenden darauf hin, dass charakteristische Mikrobiomsignaturen früh auftreten und dass man im Stuhlmikrobiom die Krankheit in einem frühen Stadium erkennen könnte. Die Vorhersagefähigkeit wurde anhand der Fläche unter der Grenzwertoptimierungskurve (AUROC) bewertet, sie erreichte einen Wert von 0,84. Die Genauigkeit stieg noch weiter auf 0,94, wenn das Mikrobiomprofil mit Blutspiegeln des Kohlenhydratantigens CA 19-9 kombiniert wurde. Dieser Wert weist nicht nur auf Bauchspeicheldrüsenkrebs, sondern auch auf verschiedene andere Erkrankungen hin. Er sei aktuell als einziger nichtinvasiver Test für ein Voranschreiten von Bauchspeicheldrüsenkrebs von der Food and Drug Administration zugelassen, schreibt die US-amerikanische Arbeitsgruppe. Die Vorhersagefähigkeit des Mikrobiomprofils wurde in einer separaten Gruppe von 76 Personen validiert, von denen 44 an einem Tumor im Pankreasgang litten und 32 nicht. Anschließend prüften die Forschende das Mikrobiomprofil anhand öffentlich verfügbarer Daten aus 25 Studien mit 5792 Proben, die 9 verschiedene Erkrankungen abdeckten, darunter andere Krebsarten und Typ-2-Diabetes. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten fest, dass das Mikrobiomprofil in Proben aus dem Mund, dem Stuhl und Bauchspeicheldrüsengewebeproben von Personen mit duktalem Pankreaskarzinom vergleichbar war, was nach ihrer Meinung darauf hindeutet, dass sie eng miteinander verbunden sein könnten. „Bei unseren Daten handelt es sich ausschließlich zum Beobachtungs- und Querschnittsdaten“, betonen die Forschenden. „Dennoch gibt es starke Hinweise darauf, dass die identifizierten Verschiebungen des fäkalen Mikrobioms nicht nur eine Folge der beeinträchtigten Pankreasfunktion oder systemischer Effekte davon sind, obwohl indirekte Effekte nicht ausgeschlossen werden können“, fügen sie hinzu. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen sogar so weit zu sagen, dass sie angesichts älterer Arbeiten zu einem möglichen Zusammenhang zwischen Bauchspeicheldrüsenkrebs und dem Darmmikrobiom „glauben, dass das vorgestellte Panel von [mit duktalen Pankreaskarzinomen] assoziierten Bakterienarten über ihre Verwendung für die Diagnose hinaus relevant sein kann und vielversprechende Ausgangspunkte für die Krankheitsprävention und therapeutische Interventionen der Zukunft darstellen könnte“. In einem die Veröffentlichung begleitenden kommentierenden Artikel warnen Dr. Rachel Newsome und Dr. Christian Jobin von der University of Florida (USA): „Obwohl diese Ergebnisse vielversprechend sind, haben sie aufgrund des Querschnittscharakters der Studie einen begrenzten klinischen Wert. Daher müssen die prädiktiven Marker in einer prospektiven Kohorte getestet werden, bevor eine Schlussfolgerung hinsichtlich ihrer klinischen Auswirkungen gezogen werden kann.“ Mehr Forschungsanstrengungen wären erforderlich, um herauszufinden, ob das mikrobielle Profil spezifisch für Bauchspeicheldrüsenkrebs ist oder ob es auch für andere Erkrankungen eine Rolle spielt. Ungeachtet dessen stelle die aktuelle Arbeit „einen wichtigen Beitrag zur Generierung prädiktiver Marker für [duktalen Bauchspeicheldrüsenkrebs] dar und unterstreicht die Schlüsselrolle der Mikrobiota bei der Überwachung von Krebserkrankungen […] und stellt einen bedeutenden Fortschritt für die nichtinvasive Krebserkennung dar“, schreiben Newsome und Jobin.
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