Schmerzen bei Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Angst vor der Empfindung kann eine Rolle spielen12. Dezember 2025 Abbildung: © Dennis/stock.adobe.com Bei Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CEDs) treten häufig auch zwischen akuten Schüben abdominelle Schmerzen auf. Dabei spielt möglicherweise eine Veränderung der Art und Weise eine Rolle, wie Betroffene Schmerz in Abhängigkeit von Furcht verarbeiten. Zu diesem Schluss kommt ein Forschungsteam der Ruhr-Universität Bochum um Dr. Hanna Öhlmann. Die Wissenschaftler hatten in einem Lernexperiment die Schmerzwahrnehmung Gesunder mit der von CED-Patienten verglichen. Basierend auf den Ergebnissen empfiehlt das Forscherteam die Entwicklung personalisierter Therapien, die solche psychologischen Mechanismen mitberücksichtigen. Ihre Ergebnisse publizierten die Arbeitsgruppe kürzlich im Journal „Pain“. Zusammenhang von Furcht und Schmerz „Die Tatsache, dass Patientinnen und Patienten mit Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oft auch in Ruhephasen der Erkrankung Symptome wie Bauchschmerzen erleben, deutet darauf hin, dass neben akuten Entzündungsprozessen andere Mechanismen den Schmerz aufrechterhalten“, sagt Öhlmann, Mitarbeiterin am Zentrum für Medizinische Psychologie und Translationale Neurowissenschaften der Ruhr-Universität Bochum. „Eine Möglichkeit ist, dass die emotionale Verarbeitung von Schmerz bei ihnen verändert ist.“Die Furcht spielt Öhlmann zufolge im Zusammenhang mit Schmerz eine wichtige Rolle: Bauchschmerzen signalisieren potenzielle Gewebeschädigungen oder drohende Beschwerden, weshalb Betroffene schnell lernen, wenn Ereignisse oder Reize in zeitlicher Nähe zu Bauchschmerz auftreten. Dann entsteht Furcht und man versucht, diese Reize zu vermeiden. Das ist zwar positiv und als Schutz gedacht, jedoch: Von anderen chronischen Schmerzerkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom ist bekannt, dass Betroffene schmerzbezogene Furcht stärker lernen als Gesunde. „Zusammen mit anhaltendem Vermeidungsverhalten kann das dazu führen, dass Bauchschmerz als immer bedrohlicher wahrgenommen und so aufrechterhalten wird“, erläutert Öhlmann. Den Schmerz fürchten lernen Um herauszufinden, ob das auch bei CED-Betroffenen so ist, rekrutierten die Forschenden 43 Versuchspersonen für ihre experimentelle Studie. Davon litten 21 an einer diagnostizierten Colitis ulcerosa. Bei den übrigen Probanden handelte es sich um gesunde Kontrollpersonen.Am ersten Studientag zeigte man den Teilnehmenden verschiedene Symbole auf einem Bildschirm. Ein Symbol war wiederholt mit einem schmerzhaften Hitzereiz am Unterbauch verbunden, ein anderes Symbol niemals. So lernten die Versuchspersonen, welches Symbol den Schmerz nach sich zog. Anschließend folgte eine Extinktionsphase, in der die Forschenden alle Symbole ohne schmerzhafte Reize präsentierten und die schmerzbezogene Furcht vor dem Symbol, das ursprünglich mit dem Hitzereiz gekoppelt war, wieder abnahm.Am zweiten Studientag wiederholte das Team die Extinktionsphase. Dann setzte es die Teilnehmenden unerwartet, also ohne visuellen Hinweis, erneut den Hitzereizen aus. „So wollten wir testen, ob CED-Betroffene den Schmerz nach dem Furchtlernen anders wahrnehmen als Gesunde und ob dies mit der Stärke des Furchtlernens zusammenhängt“, erklärt Öhlmann. Patienten empfinden Schmerz unangenehmer und intensiver Die Ergebnisse zeigen: CED-Betroffene empfanden den Schmerz bei erneuter Konfrontation als unangenehmer und auch intensiver als Gesunde. Mehr erlernte schmerzbezogene Furcht am ersten Studientag ging mit einer unangenehmeren und intensiveren Schmerzwahrnehmung am zweiten Studientag einher – und zwar ausschließlich bei CED-Betroffenen. Weitere Analysen ergaben, dass das Furcht-Lernen vor allem die Empfindung von Schmerz als unangenehm prägte und nur indirekt auf die Schmerzintensität wirkte. Die emotionale Färbung des Schmerzes spielte also eine wichtige Rolle.„Interessant ist aber, dass die CED-Betroffenen am ersten Tag nicht mehr schmerzbezogene Furcht erlernt hatten als die gesunden Teilnehmenden“, unterstreicht Hanna Öhlmann. „Es war also nicht das Furcht-Lernen an sich verändert, sondern vielmehr, wie die Furcht mit der Schmerzwahrnehmung zusammenhängt.“ Das deute darauf hin, dass die wiederkehrenden starken Entzündungsschübe bei CEDs möglicherweise langfristig verändern, wie Schmerz in Abhängigkeit von der Furcht zentral verarbeitet wird. Schmerzen werden dann intensiver erlebt, ohne dass die Furcht selbst übermäßig stark ist. Für diese Möglichkeit sprechen auch frühere Studien, die strukturelle und funktionelle Veränderungen im Gehirn von CED-Betroffenen zeigen, und zwar insbesondere in Hirnregionen, die an der Verarbeitung von Furcht und Schmerz beteiligt sind. Konsequenzen für die CED-Therapie Die Behandlung von CED zielt bislang vorrangig auf die Kontrolle der Entzündung ab. Doch auch psychologische Faktoren – etwa Stress, anhaltende Vermeidung oder schmerzbezogene Furcht – könnten eine entscheidende Rolle spielen. „Deswegen sollte chronischer Bauchschmerz als wichtiges Merkmal der Krankheit anerkannt und gezielt behandelt werden“, fordert Öhlmann. „Vor allem Betroffene, die trotz erfolgreicher Kontrolle der Entzündung weiter unter Bauchschmerzen leiden, könnten von einer ganzheitlicheren Sichtweise profitieren. Unsere Daten legen nahe, dass psychologische Verfahren – etwa aus der kognitiven Verhaltenstherapie, die gezielt an Furcht und Vermeidung ansetzen – systematisch untersucht werden sollten, auch bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen, die mit Schmerzen einhergehen, wie Rheuma oder Endometriose.“
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