Screening-Koloskopie in der NordICC-Studie: Unterschätzte Effekte auch durch verzögerte Erfassung in Krebsregistern

In Krebsregistern kommt es häufig zu einer verzögerten Erfassung von Fällen, was laut einer neuen Untersuchung einer der Gründe dafür ist, dass in der NordICC-Studie die Effekte der Screening-Koloskopie wahrscheinlich erheblich unterschätzt wurden. Die neue Veröffentlichung von DKFZ-Forschern ergänzt eine Untersuchung zu methodischen Schwächen von NordICC, deren Ergebnisse bereits früher in diesem Jahr publiziert wurden. (Abbildung: © Miha Creative/stock.adobe.com)

Zahlreiche Untersuchungen dokumentieren den Nutzen der Koloskopie in der Darmkrebsvorsorge. Auch die bislang einzige kontrollierte Langzeitstudie zu dieser Frage belegt die Wirksamkeit, allerdings fielen die berichteten Effekte geringer aus als erwartet.

Epidemiologen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zeigen in einer aktuellen Veröffentlichung erneut, dass die Effekte der Koloskopie in dieser Studie wahrscheinlich erheblich unterschätzt wurden. Ein wesentlicher Grund ist den Forschenden zufolge die verzögerte Erfassung der Krebsfälle in den Krebsregistern. Bereits im Frühjahr dieses Jahres hatten die Wissenschaftler in einer Publikation auf eine Prävalenz-Verzerrung in der ersten kontrollierten randomisierten Langzeitstudie zur Effektivität der Darmspiegelung als Darmkrebsvorsorge (NordICC) hingewiesen. Demnach floss in die Risikoschätzungen der Studie ein erheblicher Anteil von Darmkrebsfällen ein, die schon beim Eintritt der Untersuchten in die Studie existierten, die aber trotzdem wie neu aufgetretene Fälle gewertet wurden (wir berichteten).

NordICC: wichtige Studie mit Schwachpunkten

Insgesamt 85.179 Männer und Frauen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren, bei denen keine Darmkrebsdiagnose bestand, wurden in den nationalen Registern von Polen, Norwegen und Schweden für die NordICC-Studie rekrutiert. Nach dem Zufallsprinzip wurden sie zwei Gruppen zugeteilt: Ein Drittel der Studienteilnehmer erhielten eine Einladung zu einer einzelnen Vorsorge-Koloskopie, zwei Drittel erhielten keine Einladung. Dann wurde anhand entsprechender Meldungen in den nationalen Krebsregistern verglichen, wie viele Personen in den beiden Gruppen jeweils neu an Darmkrebs erkrankten, was Rückschlüsse auf die Effektivität des Screening-Angebotes erlaubt.

Wie erwartet, waren die Darmkrebsraten in der Interventionsgruppe signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe. Allerdings fiel der berichtete präventive Effekt – verglichen mit den Beobachtungen in zahlreichen früheren Studien – weniger ausgeprägt aus.

Neben der genannten Prävalenz-Verzerrung hat Prof. Hermann Brenner, Epidemiologe am DKFZ, zusammen mit Kollegen nun eine weitere methodische Schwächen der NordICC-Studie aufgedeckt. Bei der Erfassung neuer Krebserkrankungen in den Krebsregistern kommt es laut dem Experten erfahrungsgemäß häufig zu Verzögerungen. Diese Verzögerung könnte – wie Brenner und Mitarbeiter in einer aktuellen Analyse zeigen – ein weiterer Grund dafür sein, dass die Effektivität der Koloskopie in der NordICC-Studie erheblich unterschätzt wurde.

Register hinken hinterher

Aus früheren Studien war bekannt, dass bei der Erfassung neuer Krebserkrankungen in nationalen Krebsregistern einige Zeit – größenordnungsmäßig durchschnittlich rund zwei Jahre – zwischen Diagnosestellung und Registrierung vergeht. Auch in der NordICC-Studie mussten 221 Teilnehmer nachträglich ausgeschlossen werden, weil ihre bereits vor der Randomisierung diagnostizierten Darmkrebserkrankungen erst nachträglich in den Registern erfasst wurden.

Es sei davon auszugehen, dass die Erfassung der Darmkrebserkrankungen über die Krebsregister auch im Follow-up der NordICC-Kohorte durch Verzögerungen der Registrierung hinterherhinkte, heißt es nun in einer Mitteilung des DKFZ. Bei einer durchschnittlich zweijährigen Verzögerung läge die tatsächliche Nachbeobachtungszeit nicht bei zehn, sondern eher nur bei acht Jahren. Dies gilt gleichermaßen für die Interventions- wie für die Kontrollgruppe – doch die Darmkrebsinzidenz entwickelt sich bei beiden Gruppen unterschiedlich, sodass die Differenz mit längerer Nachverfolgungszeit immer ausgeprägter wird. Der tatsächlich festgestellte Screening-Effekt entspricht also eher dem Wert eines Follow-up von etwa acht und nicht von zehn Jahren und unterschätzt daher die Risikoreduktion deutlich.

„Wenn man diese Verzögerungen in der Analyse der Studie angemessen berücksichtigt“, betont Brenner, „so kommt man zu vergleichbar starken Effekten, wie man sie in klinischen und epidemiologischen Studien seit Langem beobachtet hat.“