Varianten des Gens UNC13A verursachen bislang unbekannte Entwicklungsstörung

Nervenzellen (grün) bilden neuronale Netzwerke, in denen Informationen übertragen werden. Fehler in dieser Kommunikation können zu neurodegenerativen, neurologischen und neuropsychiatrischen Erkrankungen führen. (Foto: © Pia Venneker / Leibniz-FMP)

Varianten des UNC13A-Gens können eine bisher unbekannte neurologische Entwicklungsstörung auslösen. Dies berichten Forschende vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften gemeinsam mit Wissenschaftlern aus der Schweiz und Großbritannien in der Zeitschrift „Nature Genetics“.

Das Protein UNC13A (Munc13-1) ist maßgeblich an der synaptischen Signalübertragung duerch Neurotransmitter beteiligt. Darüber hinaus spielt es für die Anpassungsfähigkeit von Synapsen eine wichtige Rolle, die wiederum für Lern- und Gedächtnisprozesse entscheidend ist.

Neue Entwicklungsstörung

Varianten des UNC13A-Gens können aber auch eine bisher unbekannte neurologische Entwicklungsstörung auslösen, wie Forschende vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften mit Kollegen aus der Schweiz und Großbritannien entdeckt haben.

Im Rahmen weltweiter Kooperationen mit zahlreichen Kliniken identifizierte das Team um Nils Brose und Noa Lipstein, ehemals Mitarbeiterin in Broses Abteilung und jetzt Gruppenleiterin am Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie, bislang rund 50 Patienten, bei denen dieses Syndrom diagnostiziert wurde. Viele von ihnen haben damit eine Erklärung für ihr Krankheitsbild erhalten. Das Spektrum der Beeinträchtigungen durch das veränderte Gen reicht dabei von verzögerter Entwicklung und geistigen Beeinträchtigungen über Sprach- und Bewegungsstörungen bis hin zu Zittern und Krampfanfällen. In einigen Fällen kommt es auch zum Tod im frühen Kindesalter.

Drei Formen der Entwicklungsstörung

Mithilfe elektrophysiologischer Studien an Mäusen und dem Fadenwurm C. elegans konnte das Forschungsteam aufklären, wie sich verschiedene Varianten des UNC13A-Gens auf die Funktion von Synapsen auswirken. In bislang 20 Fällen ist es auf diese Weise gelungen, die Krankheitsursachen aufzuklären.

„Die Symptome variieren, je nachdem, welche Funktion das UNC13A-Protein nicht mehr ausüben kann“, erklärt Lipstein. „Die krankheitsauslösenden Genvarianten lassen sich in drei Subtypen der Erkrankung zusammenfassen, bei denen jeweils andere Beeinträchtigungen von Nervenzellen auftreten. Sie rufen jeweils ein eigenes Krankheitsbild hervor und erfordern daher unterschiedliche therapeutische Ansätze, obwohl die Ursache im selben Gen liegt“, betont die Wissenschaftlerin.

Ansätze für neue Therapien

Die Ergebnisse der Forschenden machen Hoffnung auf Therapien: „Antisense-Oligonukleotid-Therapien, die die Produktion krankmachender Proteine unterdrücken und so die relative Häufigkeit des normalen UNC13A-Proteins erhöhen, könnten die Krankheitssymptome bei zwei Formen der Entwicklungsstörung verringern“, ist Brose optimistisch. Die neuen Erkenntnisse können zudem Wege eröffnen, um häufigere neurologische Erkrankungen wie ALS, Frontotemporale Demenz (FTD) und die Alzheimer-Krankheit zu behandeln. Jüngste Studien zeigten nämlich, dass eine veränderte Produktion des UNC13A-Proteins ein Schlüsselfaktor für das Fortschreiten dieser Krankheiten ist.

„Unsere Studien machen den Wert langfristiger Grundlagenforschung deutlich. Die Identifizierung der genauen molekularen Grundlagen dieser neurologischen Entwicklungsstörung ist ein entscheidender Schritt zur Entwicklung von Behandlungsmethoden“, betont Lipstein.