Zu kleine Hoden? Es könnte ein Klinefelter-Syndrom sein 2. Dezember 2022 Karyotyp des Klinefelter-Syndroms. Etwa jeder 500. Mann ist davon betroffen. (Quelle: © kanyanat – stock.adobe.com) Da das Klinefelter-Syndrom mit großen gesundheitlichen Einschränkungen einhergehen kann und aufgrund teilweise unspezifischer Symptome bis heute nur bei einem geringen Teil der betroffenen Jungen und Männer diagnostiziert wird, rät die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA) zu verstärkter Aufmerksamkeit bei Eltern und Ärzten. „Während das Klinefelter-Syndrom in der Kindheit meist klinisch unauffällig ist, zeigen sich in der Adoleszenz viele, aber unspezifische Symptome, die im Hormonfeuerwerk der Pubertät durchaus auftreten können. Hinweisgebend sind jedoch deutlich im Volumen reduzierte Hoden. Dabei handelt es sich in der Adoleszenz um das Kardinalsymptom des Klinefelter-Syndroms“, erklärt Prof. Sabine Kliesch, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V. und Chefärztin des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Universität Münster. Fachärzte für Pädiatrie, für Allgemeinmedizin und auch Eltern müssten für frühe Symptome des Klinefelter-Syndroms sensibilisiert werden, so Kliesch weiter. Das Klinefelter-Syndrom ist eine Anomalie der Geschlechtschromosomen des Mannes. Jungen und Männer mit diesem Syndrom haben häufig mindestens ein X-Chromosom zu viel. Sie haben somit zum Beispiel 47 Chromosomen (47, XXY) und nicht 46 Chromosomen (46, XY) wie andere Männer. Das Syndrom betrifft etwa 1 von 500 neugeborenen Jungen. „Von den etwa 80.000 Betroffenen, die rein statistisch in Deutschland leben, wird nur etwa jeder vierte Betroffene überhaupt diagnostiziert, bei den Kindern und Jugendlichen ist es sogar nur jeder Zehnte“, informiert Kliesch. Grund dafür sei, dass die Symptome des Klinefelter-Syndroms mit dem Heranwachsen zwar zunehmen, aber meist sehr unspezifisch bleiben. Dennoch gibt es zwei wesentliche Anhaltspunkte, die beim Heranwachsenden auf ein Klinefelter-Syndrom hinweisen können: Bei nicht wenigen betroffenen Jungen findet sich in der Krankengeschichte ein beidseitiger Hodenhochstand (Maldescencus testis). In der Pubertät bleiben die Hoden zudem klein und fühlen sich fest an. Die frühe Diagnose des Klinefelter-Syndroms ist wichtig, denn den Betroffenen droht als bedeutendste Einschränkung die Unfruchtbarkeit: Die kleinen und unterentwickelten Hoden können keine oder nur stark eingeschränkt zeugungsfähige Spermien produzieren. Um die Möglichkeit auf eine spätere Vaterschaft zu erhalten, kann meist ab dem 15. Lebensjahr bei entsprechender physischer und mentaler Reife eine Samenabgabe erfolgen und – sofern Spermien im Ejakulat vorhanden sind – diese Probe zur Sicherung der Fruchtbarkeit eingefroren und gelagert werden. „Wenn keine Spermien im Ejakulat zu finden sind, empfehlen wir Patienten alternativ den Versuch einer Spermiengewinnung mittels Hodenbiopsie, der sogenannten mikro-TESE“, erklärt Kliesch. Diese Hodengewebsproben können, sofern Spermien enthalten sind, ebenfalls eingefroren und gelagert werden. Das beste Zeitfenster scheint nach Studienlage im jungen Erwachsenenalter zu sein (zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr). Im Erwachsenenalter entwickeln sieben von zehn Betroffenen aufgrund der unterentwickelten Hoden einen ausgeprägten Testosteronmangel (Hypogonadismus), der medikamentös mit einer Testosteronersatztherapie behandelt werden sollte, um Langzeitfolgen wie Osteoporose, Anämie, Lustlosigkeit, oder Potenzstörungen zu verhindern. Weiter begünstigen niedrige Testosteronspiegel zusätzlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und eine höhere Sterblichkeit. Selten kann ein Testosteronmangel auch bereits in der Pubertät auftreten. In jedem Fall sollte vor einer Testosteronbehandlung die Frage nach einer Fertilitätsabsicherung besprochen werden. Dies wird auch explizit in der aktuell publizierten Leitlinie der Europäischen Akademie für Andrologie (EAA) empfohlen. „Wir können diese Jungen und Männer gut behandeln, um die Folgen eines Klinefelter-Syndroms zu minimieren, dafür braucht es aber mehr Aufmerksamkeit und Aufklärung der Öffentlichkeit, damit wir die Betroffenen überhaupt identifizieren können“, betont DGA-Pressesprecher Dr. Christian Leiber-Caspers.
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