Alarmierende Zunahme von Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen

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Immer mehr Kinder und Jugendliche im Schulalter leiden unter Kopfschmerzen, dennoch erhalten die wenigsten eine ärztliche Diagnose und passende Therapie. Darauf hat zum Kopfschmerztag 2024 die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. hingewiesen.

„Diese besorgniserregende Entwicklung kann ich auch aus meiner eigenen Praxis bestätigen. Gleichzeitig gibt es in Deutschland viel zu wenige spezifische Therapieangebote für junge Kopfschmerzpatientinnen und -patienten“, betont Prof. Gudrun Goßrau, Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Uniklinikum Dresden und Generalsekretärin der Deutschen Migräne-
und Kopfschmerzgesellschaft e.V. Anlässlich des Deutschen und Europäischen Kopfschmerztags 2024 warnt die Fachgesellschaft vor den weitreichenden Folgen dieser Entwicklung und fordert mehr Aufmerksamkeit für die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen.

Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen haben Folgen für deren Lebensqualität und
Zukunftsperspektiven. Besonders problematisch ist, dass unbehandelte Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter chronifizieren und sich bis ins Erwachsenenalter fortsetzen können. Dennoch holten rund 80 Prozent der mehr als 2700 Schülerinnen und Schüler mit mindestens zwei monatlichen Kopfschmerztagen aus einer Studie des Universitätsklinikums Dresden keine ärztliche Hilfe ein.1

Migräne im Schulalter: Hauptursache für gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen

Migräne erweist sich als eine der Hauptursachen für gesundheitliche Einschränkungen bei
Heranwachsenden und jungen Erwachsenen.2 Die Auswirkungen sind gravierend: Die Betroffenen beschreiben Beeinträchtigungen der schulischen Leistungen und der allgemeinen Schulfähigkeit, emotionale Belastungen sowie soziale Isolation im Alltag.3 Dies bestätigen auch
Krankenkassendaten von mehr als 56.000 deutschen Schülerinnen und Schülern im Alter von 15
Jahren. Sie zeigten für Jugendliche mit Migräne im Verlauf von zehn Jahren ein 2,1-fach höheres Risiko für stressbedingte, auch somatoforme Störungen und ein 1,6-fach höheres Risiko für
Rückenschmerzen.4

Erhöhte Schmerzempfindlichkeit bei jungen Patienten mit Migräne

Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Dresden bestätigte außerdem, dass Migräne auch
Einfluss auf die Schmerzempfindlichkeit und Reizwahrnehmung bei Kindern und Jugendlichen hat.5 Die Studie verglich die sensorische Wahrnehmung von mechanischen Reizen, Schmerzreizen und Gerüchen von 103 Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen mit der von 69 gesunden Altersgenossen. Junge Patientinnen und Patienten mit Migräne hatten eine niedrigere Schmerzwahrnehmungsschwelle und damit eine höhere Schmerzempfindlichkeit als gesunde und als Kinder mit Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Darüber hinaus zeigte sich eine gesteigerte Geruchsempfindlichkeit bei jungen Kopfschmerzbetroffenen. Die Ergebnisse deuten auf eine erhöhte Gesamtsensibilität für verschiedene Sinnesreize bei Kindern und Jugendlichen mit primären Kopfschmerzen hin. „Die verstärkte Reizwahrnehmung kann den Alltag stark beeinträchtigen und möglicherweise zur Chronifizierung der Schmerzen beitragen“, erklärt Goßrau.

DMKG fordert mehr Forschung und Behandlungsmöglichkeiten

Daher möchte die DMKG das Bewusstsein für die zunehmende Problematik von Migräne und Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen schärfen. „Kopfschmerzen bei Kindern sind eine ernst zu nehmende Erkrankung, werden aber oft nicht so wahrgenommen. Diagnostik und Therapie werden nicht konsequent verfolgt, passende Behandlungsmöglichkeiten sind zu wenig vorhanden“, beklagt Goßrau. Sie betont die Bedeutung einer frühzeitigen adäquaten Behandlung sowie einer verbesserten Aufklärung von Eltern, Lehrern und medizinischem Personal. Zudem müsstene die Forschung zu kinder- und jugendspezifischen Therapieansätzen intensiviert und multimodale Behandlungsansätze wie das Dresdner Kinderkopfschmerz-Programm (DreKiP) in Deutschland flächendeckend angeboten werden.

„Kinder und Jugendliche sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie verdienen eine optimale medizinische Versorgung und Unterstützung, um langfristige gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen zu vermeiden.“