Kinder mit Epilepsie: Neues KI-Tool erkennt winzige Hirnläsionen

Winzige Hirnläsionen bleiben oft unentdeckt – KI-gestützte Diagnostik eröffnet neue Chancen für Kinder mit Epilepsie. (Foto: © Satjawat – stock.adobe.com)

Ein fortschrittliches KI-Tool kann winzige Hirnläsionen erkennen, die bei Kindern schwere Epilepsie verursachen. Dies ermöglicht laut einer neuen Studie eine schnellere Diagnose, präzisere Behandlung und eine mögliche Heilung.

Das „KI-Epilepsie-Detektor“-Tool wurde vom Murdoch Children’s Research Institute und dem Royal Children’s Hospital (RCH; beide Australien) entwickelt. Es kann Läsionen erkennen, die so klein wie eine Blaubeere sind, und erreichte in der Studie in bis zu 94 Prozent der Fälle korrekte Befunde anhand medizinischer Bildgebung.

Dr. Emma Macdonald-Laurs, Neurologin am RCH und Leiterin des Forschungsteams, erklärt:„Die frühzeitige Erkennung der Ursache ermöglicht uns maßgeschneiderte Behandlungsmöglichkeiten und unterstützt Neurochirurgen bei der Planung und Durchführung von Operationen. Mit präziseren Bildgebungsverfahren können Neurochirurgen einen sichereren Operationsplan entwickeln. Dadurch können wichtige Blutgefäße und Hirnregionen, die Sprache, Denken und Bewegung steuern, geschont und gesundes Hirngewebe erhalten werden. Kinder müssen sich zudem keinen invasiven Untersuchungen unterziehen.“

Studie zeigt erhöhte Diagnosegenauigkeit

Die in „Epilepsia“ veröffentlichte Studie umfasste 71 Kinder am RCH und 23 Erwachsene am Austin Hospital mit kortikaler Dysplasie und fokaler Epilepsie. Die Ergebnisse zeigten, dass vor Einsatz des KI-Detektors 80 Prozent der Läsionen bei der menschlichen MRT-Auswertung übersehen wurden.

Der Detektor wurde mit MRT- und FDG-PET-Scans trainiert. Die Kinder wurden dafür in Trainings- und Testkohorten eingeteilt, eine separate Erwachsenenkohorte diente der Validierung. In der Testgruppe erzielte der Detektor eine Trefferquote von 94 Prozent. Von 17 Kindern in dieser Gruppe unterzogen sich zwölf einer Operation, elf sind inzwischen anfallsfrei.

Klinische Bedeutung kortikaler Dysplasien

Kortikale Dysplasien, die sich bereits im Mutterleib entwickeln, sind eine häufige Ursache für medikamentenresistente Anfälle bei Kindern. „Die Anfälle beginnen meist plötzlich im Vorschul- oder frühen Schulalter und nehmen dann zu, bis sie mehrmals täglich auftreten“, erklärt Macdonald-Laurs. „Kinder müssen oft in die Notaufnahme oder ins Krankenhaus. Mit der Zeit beeinträchtigen häufige Anfälle das Verhalten, die Stimmung und die Lernfähigkeit des Kindes. Epilepsie aufgrund kortikaler Dysplasie kann jedoch durch eine Epilepsieoperation gelindert oder geheilt werden, wenn das abnormale Hirngewebe lokalisiert und entfernt werden kann.“

Allerdings seien kortikale Dysplasien auf herkömmlichen MRTs schwer zu erkennen, weniger als die Hälfte werde beim ersten Scan entdeckt. Wenn das abnormale Gewebe nicht lokalisiert wird, verzögert sich die Diagnose, und ein Kind wird möglicherweise nicht für eine potenziell kurative Epilepsieoperation überwiesen. „Je länger ein Kind unkontrollierte Anfälle hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass es Lernschwierigkeiten bis hin zu einer geistigen Behinderung entwickelt“, erläutert Macdonald-Laurs.

Praxisbeispiel: Erfolg dank Künstlicher Intelligenz

Mit zusätzlichen Mitteln könnte das Team den KI-Detektor in Kinderkrankenhäusern in ganz Australien testen. Ein Beispiel aus der Praxis ist der fünfjährige Royal, bei dem der Detektor eine kortikale Dysplasie identifizierte. Seit der Operation ist er anfallsfrei. Seine Mutter Gurjinder berichtet, dass die Anfälle zuvor stetig zunahmen – zunächst einige pro Tag, später alle 30 Minuten, schließlich in Clustern.

Royal wurde nach einem längeren Anfall mit starkem Nasenbluten zunächst in ein örtliches Krankenhaus gebracht, wo Antiepileptika verabreicht wurden. Da diese nicht wirkten und ein MRT keine Ursache zeigte, wurde er ins RCH verlegt, wo die Dysplasie lokalisiert und operativ entfernt wurde.

Gurjinder schildert die Belastung für die Familie: „Die ganze Tortur hat uns psychisch stark beansprucht. Wir hatten großes Glück, dass wir schnell erkannt haben, dass etwas nicht stimmte, denn kleine Kinder können ihre Symptome nicht immer selbst erklären. Ohne die Hilfe des Detektors hätte die Diagnose deutlich länger gedauert, und Royals Gesundheitszustand hätte sich weiter verschlechtert. Wir sind so dankbar, dass er nun wieder ruhig, freundlich und geduldig ist.“

Fazit

Der KI-gestützte Detektor ermöglicht eine präzisere Erkennung kleinster kortikaler Dysplasien bei Kindern mit fokaler Epilepsie. Dies kann zu frühzeitigeren Diagnosen, gezielteren Epilepsieoperationen und damit verbundenen Behandlungsmöglichkeiten führen. Die Studie zeigt das Potenzial von KI-gestützter Bildgebung für die neurochirurgische Diagnostik und Therapieplanung bei medikamentenresistenter Epilepsie.

(BIERMANN/lj)